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Pressemitteilungen

Gehen Berlins Jobcenter konsequent gegen sittenwidrige Entlohnung vor?

10.05.2014 – Pressemitteilung Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreisez

Das Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise (BALZ) hat gestern der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit (RD) seinen Bericht zu "Sittenwidriger Beschäftigung und Berliner Jobcenter" übermittelt. Zuvor hatte die RD in einer Pressemitteilung erklärt, der Bericht enthalte Behauptungen über die Arbeit der Jobcenter, die fehlerhaft seien. Zu diesem Zeitpunkt kannte die RD den Bericht aber gar nicht.

Das BALZ begrüßt es, wenn die RD betont, dass das Thema "Sittenwidrige Entlohnung" eine "hohe geschäftspolitische Bedeutung" auf Seiten der Bundesagentur für Arbeit gefunden habe.

Allerdings bleibt festzuhalten, dass erst seit November 2013 die Prüfung aller Stellenangebote, für die der Arbeitgeber einen Vermittlungsauftrag erteilt, verlangt wird. Im letzten Jahr legten uns Ratsuchende noch häufig Vermittlungsangebote der Jobcenter mit unklaren Angaben zur Höhe des Arbeitsentgelts wie "Nach Vereinbarung" oder "Nach Absprache" vor. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage stellt auch die Senatsverwaltung für Arbeit im April 2013 fest, dass eine Verpflichtung für Unternehmen, die keinen Tarifverträgen oder Mindestlohnbedingungen unterliegen, zur konkreten Gehaltsangabe nicht bestehe.

Im letzten Sommer war uns während unserer jährlichen Beratungsaktion vor den Berliner Jobcentern ein Vermittlungsvorschlag von einer Ratsuchenden vorgelegt worden, bei dem das angebotene Entgelt zweifellos sittenwidrig war (siehe Berliner Zeitung vom 9. August 2013). Es spricht gegen jede Lebenserfahrung, zu vermuten, dass dies der einzige Vermittlungsvorschlag der Berliner Jobcenter mit sittenwidriger Entlohnung gewesen sein soll.

Wir behaupten nicht, dass Sanktionen eintreten, wenn Bezieher von SGB-II-Leistungen ein Arbeitsangebot ablehnen, das sittenwidrig entlohnt wird. Wir haben allerdings darauf hingewiesen, dass Leistungsberechtigten, die ein Vermittlungsangebot ablehnen, eine empfindliche Sanktion droht. Da Arbeitsuchende in der Regel gar nicht erkennen können, ob die Entlohnung sittenwidrig ist, spielt die Sanktionsdrohung bei der Akzeptanz von Armutslöhnen eine entscheidende Rolle. Arbeitnehmer, die sittenwidrige Löhne nicht hinnehmen wollen, sollten von den Jobcentern unterstützt werden. In einem uns bekannt gewordenen Fall geschah das Gegenteil. Ein Aufstocker, der den Mindestlohn einforderte und daraufhin von seinem Arbeitgeber die Kündigung erhielt, wurde zu einer Anhörung wegen vermeintlicher Aufgabe des Arbeitsplatzes aufgefordert, obwohl dem Arbeitsvermittler der Sachverhalt bekannt war.

Am 13. Juni veranstalten die Oppositionsparteien im Berliner Abgeordnetenhaus eine Veranstaltung zu "sittenwidriger Arbeit". Wir stellen uns im Rahmen dieser Veranstaltung gern der Kritik der RD.

Download: Bericht von Markus Wahle: Sittenwidrige Beschäftigung und Berliner Jobcenter, 22 Seiten, pdf (129 KB)

Download: Pressemittelung der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit vom 9. Mai 2014: Jobcenter gehen konsequent gegen sittenwidrige Entlohnung vor, pdf (94 KB)