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Berliner Arbeitslosenzentrum befragte Leistungsbezieher zu ihren Erfahrungen

Umfrage bescheinigt Jobcentern erhebliche Mängel beim Service

26. September 2008 - Pressemitteilung des Berliner Arbeitslosenzentrums

Der Service der Berliner Jobcenter bekommt in einer Umfrage unter Arbeitsuchenden schlechte Noten. Das ist das Ergebnis einer Erhebung, die das Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise (BALZ) in den letzten sechs Wochen durchgeführt hat. Mitarbeiter der Einrichtung haben mehr als 850 Arbeitsuchende vor den zwölf Jobcentern der Stadt zu ihren Erfahrungen mit der Hartz IV-Behörde befragt. Die Untersuchung fand im Rahmen der heute zu Ende gegangenen mobilen Beratungsaktion „Irren ist amtlich - Beratung kann helfen“ statt, die von den Wohlfahrtsverbänden und deren Beratungsstellen unterstützt wurde. Die wichtigsten Ergebnisse wurden heute Morgen der Öffentlichkeit vorgestellt.

Unverständliche Bescheide

Nur 47 Prozent der befragten Jobcenter-Kunden geben an, ihren letzten Bescheid zum Arbeitslosengeld II verstanden zu haben. Ob der Bescheid rechtlich korrekt ist, kann sogar nur jeder vierte mit Ja beantworten. Die Bescheide sind auch aus Sicht von Sozialberatern unzumutbar. „Legt man die Maßstäbe des Sozialgesetzbuches an, dann müssen Verwaltungsakte bestimmt und begründet sein. Das heißt, der Bürger muss aus dem Bescheid die Entscheidung der Behörde nachvollziehen können. Nur so ist er in der Lage, seine Rechte sachgemäß wahrnehmen zu können. Diesem Anspruch werden die Hartz IV-Bescheide aber nicht gerecht.“, erklärt Frank Steger, der die Umfrage für das Arbeitslosenzentrum koordiniert hat. So werde bei der Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit nur das Ergebnis angegeben. Wie das Einkommen im Einzelnen angerechnet werde, bleibe aber unklar. Das führe im Ergebnis dazu, dass die Kunden nicht selten zu wenig Leistung erhalten.

Schwer erreichbare Sachbearbeiter

Weniger als drei Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass die Sachbearbeiter in den Leistungsabteilungen der Jobcenter telefonisch gut erreichbar seien. Auch die persönliche Erreichbarkeit empfinden die Kunden als ungenügend. Nur jeder dreizehnte erreicht seinen Sachbearbeiter gut. „Die Erreichbarkeit der Sachbearbeitern ist für die Kunden wichtig, weil viele Fragen zu ihren Leistungsbescheiden haben.“, so Steger. Von Seiten der Arbeitsverwaltung wird auf die Service-Hotline der Jobcenter verwiesen, wo sich die Kunden telefonisch jederzeit informieren könnten. „Bei der Hotline, die kostenpflichtig ist, bleiben aber viele in der Warteschleife hängen. Kommen sie durch, dann treffen sie auf Mitarbeiter, die zu ihrer Akte entweder keinen Zugang haben oder sie müssen erleben, dass die von Hotline per E-Mail angeschriebenen Sachbearbeiter sich bei ihnen nicht zurückmelden.“, entgegnet Steger. Die Verwaltung habe inzwischen auf die Beschwerden reagiert und immerhin beschlossen, dass die Service-Hotline künftig kostenlos erreichbar sein soll.

Überwiegend keine klaren Auskünfte

Aus Sicht der Jobcenter-Kunden lässt die Auskunftsfähigkeit der Behörde sehr zu wünschen übrig. Lediglich knapp zehn Prozent der Befragten bejahen die Frage, ob sie von den Sachbearbeitern der Leistungsabteilung klare Auskünfte erhalten. Mehr als die Hälfte antwortet mit Nein. Besser schneidet die Arbeitsvermittlung der Jobcenter ab. 60 Prozent der Umfrageteilnehmer stimmen der Aussage „Zu meinen Fragen habe ich klare Auskünfte erhalten“ wenigstens teilweise zu. „Das stimmt nicht“ erklären aber immerhin noch 29 Prozent. Nach Ansicht des BALZ bestätigen die Umfrageergebnisse die Erfahrungen von Sozialberatungsstellen, wonach die Jobcenter ihrer gesetzlichen Beratungspflicht nur unzureichend nachkommen.

Mehr Freundlichkeit im Kundenumgang gewünscht

Seit dem Umbau der Arbeitsämter zu Agenturen und Jobcentern werden Arbeitsuchende als Kunden bezeichnet. Die Klagen über unfreundliche Mitarbeiter nehmen aber nicht ab. 20 Prozent der Kunden erklärten in der Umfrage, dass bei ihrem letzten Kontakt zum Arbeitsvermittler keine freundliche Gesprächsatmosphäre geherrscht habe. Knapp ein Drittel fühlt sich mit dem eigenen Anliegen nicht ernst genommen und die Hälfte zumindest teilweise abgewimmelt. Steger betont, dass die Ergebnisse vermutlich noch schlechter ausgefallen wären, wenn die Frage sich auf die gesamte Behörde und nicht allein auf die Arbeitsvermittlung bezogen hätte. „Die Kunden haben häufig den Eindruck lästig zu sein. Nicht selten empfinden sie den Umgang mit ihnen als entwürdigend“. Einzelne Jobcenter-Leiter gäben unumwunden zu, dass an dem Kundenbild in der Arbeitsverwaltung gearbeitet werden müsse. „In vielen Jobcentern herrscht Personalnot. Die Mitarbeiter stehen enorm unter Druck. Für Freundlichkeit ist dann oft kein Raum mehr. Die Folge sind emotionale Aufladungen auf beiden Seiten.“, erklärt Steger.

Eigene Wünsche in Eingliederungsvereinbarungen unberücksichtigt

Zwischen dem Arbeitsuchenden und dem Jobcenter soll laut Gesetz eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden. In der Vereinbarung wird geregelt, welche Leistungen zur Eingliederung in Arbeit der Erwerbsfähige von der Behörde erhält und welche Bemühungen er vorzunehmen hat, um nicht länger staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. In der Theorie soll die Eingliederungsvereinbarung die Philosophie vom „Fördern und Fordern“ abbilden. Die Praxis scheint davon aber noch weit entfernt zu sein. Lediglich 20 Prozent der befragten Jobcenter-Kunden sehen ihre Wünsche in der Eingliederungsvereinbarung berücksichtigt. Nach Kenntnis des BALZ werden den Vereinbarungen überwiegend standardisierte Texte zugrunde gelegt, die die Besonderheiten des Einzelfalls nicht berücksichtigen. Eingliederungsvereinbarungen würden überdies häufig ohne ausreichende Beratung und unter Druck abgeschlossen.