Irren ist amtlich-Beratung kann helfen

Keine "Hilfe aus einer Hand" im Jobcenter

Beratungsaktion "Irren ist amtlich" beendet / Hartz-IV-Bezieher wünschen sich bessere Betreuung

30.07.2010 – Pressemitteilung des Berliner Arbeitslosenzentrums

Sechs Wochen lang war das Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise (BALZ) mit dem Beratungsbus der Wohlfahrtsverbände vor den zwölf Jobcentern der Hauptstadt unterwegs, um Arbeitsuchende und Geringverdiener zu ihren Fragen zum Arbeitslosengeld II zu beraten. Die Aktion, die von zahlreichen Sozialberatungsstellen in den Bezirken und der Landesarmutskonferenz Berlin unterstützt wurde, endet heute vor dem Jobcenter in Berlin-Neukölln. Insgesamt zählten die Berater fast 800 Beratungsgespräche.

Die Alice Salomon Hochschule Berlin führte parallel zu der Beratungsaktion eine wissenschaftliche Begleituntersuchung durch. Unter der Leitung von Professorin Dr. Susanne Gerull interviewten 39 Studierende mehr als 560 Ratsuchende zu ihren Erfahrungen mit der Beratung und Betreuung der Jobcenter. "Die Vorab-Ergebnisse auf Basis einer Auswertung der ersten 400 Interviews stehen in einem auffälligen Kontrast zu den regelmäßig guten Ergebnissen, die die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen eigener Erhebungen zur Kundenzufriedenheit ermittelt", so der Koordinator der Beratungsaktion Frank Steger.

Nach dem Zwischenbericht sind mehr als 70 Prozent der Befragten mit der Auskunft und der Beratung im Jobcenter insgesamt wenig (41,9 Prozent) oder gar nicht (29,7 Prozent) zufrieden. Am wenigsten zufrieden sind die Befragten dabei mit den Angeboten der Arbeitsvermittlung (81,7 Prozent wenig oder gar nicht zufrieden) und der Erreichbarkeit der Leistungsabteilung (75,9 Prozent), am zufriedensten mit der Freundlichkeit der Mitarbeiter (58,3 Prozent sehr oder ziemlich zufrieden). Knapp drei Viertel der Befragten haben schon einmal die telefonische Hotline der Jobcenter genutzt, aber nur ein Drittel war mit der Erreichbarkeit zufrieden und etwas weniger als ein Drittel mit der erhaltenen Auskunft.

"Der Bericht deckt sich mit den Erfahrungen aus der Beratung, die die Wohlfahrtsverbände in der Stadt anbieten", erklärt Fachgruppensprecher Joachim Fuchs von der Landesarmutskonferenz Berlin. Leistungsbezieher klagten auch nach fünf Jahren Hartz IV immer noch über fehlende Erreichbarkeit der Sachbearbeiter in den Leistungsabteilungen, überlange Wartezeiten, unzureichende Qualifizierung der Mitarbeiter und Probleme bei der Postzustellung. Das Prinzip der „Hilfe aus einer Hand“ werde in den Berliner Jobcentern nicht eingelöst. Fuchs weiter: "An dem Prozess der Leistungserbringung sind insgesamt zu viele Personen beteiligt." Die Landesarmutskonferenz fordert, dass die Arbeitsvermittlung und der Leistungsbereich auf mittlere Frist organisatorisch und räumlich zusammengeführt werden. Kurzfristig müsse ein direkter telefonischer Zugang zur Leistungsverwaltung für die Rat- und Hilfesuchenden sichergestellt werden. Die Hotline müsse außerdem kostenlos sein und die Wartezeiten nachhaltig verkürzt werden.

Die Alice Salomon Hochschule hatte auch nach der Zufriedenheit mit der Beratung am Beratungsbus gefragt. Dem Zwischenbericht zufolge waren 67,9 Prozent der Befragten mit der Beratung sehr und weitere 28,5 Prozent ziemlich zufrieden. "So verwundert es nicht, dass sich viele Befragte das mobile Angebot einer vom Jobcenter unabhängigen Beratung häufiger oder sogar "fest installiert" wünschen", lautet das Fazit des Berichts. Voraussichtlich im September wird der Abschlussbericht der Studie vorliegen.

Anhänge

Zwischenbericht Prof. Dr. Susanne Gerull: "Irren ist amtlich - Beratung kann helfen" // Stand 20.07.2010 // Auswahl der wichtigsten Daten (PDF 95KB)

Stellungnahme der Fachgruppe Armut und soziale Sicherungssysteme der Landesarmutskonferenz Berlin zur Organisation der Jobcenter in Berlin (PDF 33KB)